Album insights
Anfänglich war geplant, dass diese Edition sämtliche Lieder für Singstimme und Klavier von Richard Strauss umfasst, die Orchesterlieder jedoch ausschließt. In der letzten Ausgabe wurde dieses Konzept durchbrochen, indem die Vier letzten Lieder hinzugefügt wurden. Diese Werke, die als krönender Abschluss von Strauss’ lebenslanger Beschäftigung mit dem Lied gelten, füllen die entstandene Lücke auf eindrucksvolle Weise.
Gerade die Aufnahme der Vier letzten Lieder erscheint sinnvoll, da Strauss beim Klaviersatz stets die orchestralen Farben und Techniken bedachte. Sowohl am Klavier als auch als Dirigent fühlte er sich zu Hause, was in den Klavierfassungen dieser Lieder deutlich wird: Sie spiegeln das Orchester im Kopf des Interpreten wider und erschaffen so die typische Klangwelt der Strauss-Lieder.
Ein besonders prägnantes Beispiel hierfür ist das Lied "Cäcilie", das Strauss 1894 für seine Frau Pauline schrieb. Charakteristisch sind die kraftvolle Begleitung, mitreißende Höhepunkte und fein nuancierte Strophen. Auch "Wenn..." steht hierfür beispielhaft: Es ist im heroischen Es-Dur gehalten und zeichnet eine klangvolle Reise durch Persien. Die Lieder aus den Jahren 1899 bis 1901 zeigen mit ihrer Vielfalt und Intensität die enorme kompositorische Entwicklung Strauss’ in einer Schaffensphase, in der bereits viele seiner bedeutendsten Werke entstanden waren.
So demonstriert etwa "Bruder Liederlich" mit ausgelassenen Rufen und scharfen Dissonanzen seine Verspieltheit, während "An Sie" formell und in einer heroischen Tonart gehalten ist. "Die Ulme zu Hirsau" wiederum präsentiert Strauss’ monumentalen Stil und greift eine volkstümliche Sage auf. Trotz gelegentlicher Schwülstigkeit besitzt jedes dieser Lieder einen unverwechselbaren Charakter.
Im Opus 46 vertonte Strauss Gedichte von Friedrich Rückert, darunter auch "Ein Obdach gegen Sturm und Regen". "Gestern war ich Atlas" wirkt im ernsten Ton mit schreitendem Beginn und düsteren Wendungen. Einen leichteren Kontrast dazu bietet "Die sieben Siegel". "Morgenrot" vermittelt auf brillante Weise stürmische Gefühle, während "Ich sehe wie in einem Spiegel" mit einer metaphysischen Note endet, die die Liebeskraft des Urkreises hervorhebt.
Im Anschluss folgen zwei volkstümlich geprägte Lieder aus dem Opus 49: "Sie wissen’s nicht" und "Junggesellenschwur". Beide Stücke zeichnen sich durch prägnante Charaktere und Stimmungen aus. Die Drei Lieder aus den Büchern des Unmuts des Rendsch Nameh sowie die "Ophelia-Lieder" beweisen eine überraschende Originalität in Strauss’ Schaffen.
In "Wer wird von der Welt verlangen" übt Strauss in knapper Form Kritik an unberechtigten Forderungen. "Hab’ ich euch denn je geraten" drückt leise Verärgerung und Naturverbundenheit aus, während "Wanderers Gemütsruhe" durch weltabgewandte Ironie besticht. Die Fünf kleinen Lieder wiederum bieten thematische und emotionale Vielfalt, wobei "Der Pokal" eine besonders heroische Haltung verlangt.
Die 1948 in der Schweiz entstandenen Vier letzten Lieder beeindrucken durch reiche Harmonik und eine melancholische Grundstimmung. Jedes Lied behandelt einen Übergang: vom Winter zum Frühling, vom Sommer zum Herbst, vom Tag zur Nacht und vom Leben zum Tod. Diese Abschiedswerke markieren einen Höhepunkt in Strauss’ Liedkunst und zeugen von seiner Meisterschaft in Melodie und Harmonie.