Ab einem gewissen Stadium der Perfektion reizt jeden Künstler der Blick in die Geschichte. Denn dann geht es um die Wurzeln, um die Verbindungsglieder von der Vergangenheit zur eigenen Biographie. Was konnten die anderen? fragt man sich dann und: Was machte ihre Einzigartigkeit aus? Wo bin ich ihnen ähnlich und worin unterscheide ich mich? Für Juan Diego Flórez waren solche Überlegungen nahe liegend, schließlich wurde der peruanische Tenor während der vergangenen Jahre als leuchtender Stern des Belcantos gefeiert, als einer, der eine Tradition weiterführt, die bis zu Giavanni Battista Rubini zurückreicht. Und so war es eine Herausforderung, sich mit einem Programm dem berühmtesten Tenor des 19. Jahrhunderts zu widmen und sich mit “Arias for Rubini” vor einem Ahnherrn des Sängerfachs zu verneigen.
Giovanni Battista Rubini (1794–1854) war der Motor eines ganzen Genres. Als einer der berühmtesten Sänger seiner Zeit mit einer Stimme zum Niederknien inspirierte er eine ganze Generation von Komponisten von Rossini bis Bellini, ihm Opern auf den Leib zu schreiben oder sich zumindest von ihm inspirieren zu lassen – zumal er mit einigen von ihnen persönlich befreundet war. Geboren am 7. April 1794 in Bergamo, führte ihn seine frühe Karriere zunächst nach Neapel, als Schüler von Andrea Nozzari, dann auch in verschiedenen Engagements. Sein Debüt hatte er ebendort anno 1815 in der Rolle des Lindoro in Rossinis “L’Italiana in Algeri”, woraufhin schnell die Kunde von seiner faszinierenden Stimme die Runde machten. Das folgende Jahrzehnt führte Rubini in kulturelle Metropolen wie Wien und Paris. Sein Ruf als stimmgewaltiger Tenor, der es bis zum sagenhaften hohen “F” schafft, eilte ihm voraus und so war er von 1827 bis 1831 zunächst in Mailand, daraufhin in Paris und London bis zu seinem Rückzug von der Bühne 1845 ein viel gefragter Bühnenstar.
Die Komponisten des Belcantos ließen sich von Rubini zu Bearbeitungen und Neuschöpfungen anregen. Rossini etwa arbeitete mehrere Opern für ihn um, darunter “La Donna Del Lago” und “Zelmira”. Der Kontakt zu Donizetti hingegen war nicht so eng, für Bellini allerdings fungierte er gar als zentrale Inspiration. Immerhin vier Bühnenwerke (“Bianca e Gernando”, “Il Pirata”, “La Sonnambula”, “I Puritani”) entstanden nachweislich unter dem Eindruck von Rubinis Stimme, eine weitere (“La Straniera”) schrieb der Komponist auf die Fähigkeiten des Sängers um. So wundert es wenig, dass Rubini bis heute die Aura des Genialen umgibt, des wegweisenden Interpreten, an dessen Schilderungen durch enthusiasmierte Zeitgenossen sich Generationen von nachfolgenden Tenören nach im orientiert haben. Selbst ein junger Star am Sängerhimmel wie Juan Diego Flórez kann sich von dieser Faszination kaum lösen: “Leute wie er waren die ersten, die einige der schönsten Opern überhaupt gesungen haben. Von ihnen etwas zu erfahren ist ungemein spannend!”.
Get the Flash Player to see this player.