
Alle LPs von ECM Records, Merch, exklusive Sondereditionen und mehr finden Sie in unserem JazzEcho-Store.
Dino Saluzzi, Jacob Young & José Saluzzi: Ein Geschenk des Himmels
Auch mit 90 Jahren lässt sich der Bandoneónist Dino Saluzzi noch auf musikalische Abenteuer ein. Sein neues Album “El Viejo Caminante”, auf dem er als Wandersmann zwischen den Stilen glänzt, hat er im Trio mit zwei Gitarristen eingespielt: seinem Sohn José María Saluzzi und dem Norweger Jacob Young. “Ein Bandoneón, von zwölf Gitarrensaiten umgarnt – das erweist sich als sehr organisches und unerschöpfliches Triokonzept”, befand Andreas Schäfler in der Jungen Welt. “Nach Herzenslust werden hier Tempi verschleppt und da wieder aufgeholt, werden Themen und Motive zerpflückt und in bestechenden Unisonopassagen frisch durchbuchstabiert. Saluzzis eigene Kompositionen bieten sogar eine kleine Werkschau: ‘Buenos Aires 1950’ blendet in seinen Karrierestart beim Symphonieorchester von Radio El Mundo zurück, ‘Tiempos de ausencias’ und ‘Y amo a su hermano’ gehören schon ewig zu seinem Repertoire, und den titelgebenden, solo eingespielten ‘Wandersmann’ darf man inzwischen als verschmitztes Selbstporträt verstehen. Zeitlos schön aber auch ‘Someday My Prince Will Come’ und ‘My One and Only Love’, die sich erst mittendrin und eher beiläufig als Jazz-Preziosen zu erkennen geben. […] So geht es dahin auf diesem Album, mit einem Klangfarbenreichtum sondergleichen und weit über eine Stunde lang. Falls es Geschenke des Himmels überhaupt gibt – ‘El Viejo Caminante’ könnte eins sein.”
Keith Jarrett, Gary Peacock & Paul Motian: Musik, die für sich selbst spricht
Das Live-Album “At The Deer Head Inn” hat in der umfangreichen Diskografie Keith Jarretts (und im Herzen des Pianisten) seit jeher einen besonderen Platz eingenommen. Denn nicht nur der Ort, an dem es entstand, war speziell, sondern auch die Trio-Besetzung, mit der Jarrett exklusiv bei diesem einen Konzert autrat – und danach leider nie mehr wieder. Um so größer war die Freude, als zum 30-jährigen Jubiläum mit “The Old Country” ein zweiter Mitschnitt eben jenes Konzerts auf CD erschien. Nun sind beide Alben als “At The Deer Head Inn – The Complete Recordings” zum ersten Mal zusammen in einer limitierten Auflage auf Vinyl erschienen. Die beiden Doppel-LPs mit einer Gesamtlaufzeit von fast zweieinhalb Stunden sind in hochwertige Tip-On-Gatefold-Hüllen verpackt, die wiederum in einem Deluxe-Schuber stecken. “Die Chemie stimmte am 16. September 1992 im Deer Head Inn im Dörfchen Delaware Water Gap/Pennsylvania”, urteilte Werner Stiefele in Audio/Stereoplay. “Keith Jarrett (p), Gary Peacock (b) und Paul Motian als Vertretung von Jack DeJohnette, dem regulären Drummer seines Trios, improvisierten über 15 Jazzklassiker. Der Mitschnitt war als Erinnerungsstück gedacht, aber er gefiel Jarrett so gut, dass er 1994 die Hälfte der Titel freigab und 2024 den Rest folgen ließ, beides zunächst nur auf CD. Die limitierte LP-Ausgabe auf 140g Vinyl mit zwei Gatefolds im Schuber bringt das Repertoire nun in identischer Titelfolge. Großartig, wie sich die Musiker ergänzen, Ideen aufgreifen und beantworten. Die luftige, entspannte und doch intensive Atmosphäre macht die Session zum Highlight in Jarretts Œuvre. Auf ein Booklet hat ECM verzichtet. Macht nichts: Die Musik spricht für sich.”
John Taylor, Marc Johnson & Joey Baron: Hoch ambitionierte, spontane Kammermusik
Als der Pianist John Taylor im Januar 2002 im CBSO Centre in Birmingham auftrat, befand er sich in ausgelassener Feierstimmung. Bei dem Konzert zu seinem 60. Geburtstag stellte er sein neues Trio mit dem Bassisten Marc Johnson und dem Schlagzeuger Joey Baron vor. Das ausgesprochen dynamische und schlagfertige Trio sollte nur drei Monate später in Oslo das von der Kritik hochgelobte Album “Rosslyn” für ECM aufnehmen. Zehn Jahre nach Taylors Tod hat ECM unter dem Titel “Tramonto” nun eine Aufzeichnung des Konzerts aus Birmingham herausgebracht. “Er weilt nicht mehr unter uns: Der britische Pianist John Taylor (1942–2015) war allerdings eine höchst individuelle Stimme des Jazzklaviers, die vermisst wird”, schrieb Ljubiša Tošić in ihrer Rezension für die Zeitung Der Standard. “‘Tramonto’ erinnert an den subtilen, gemäßigt modernen Improvisator. Die Aufnahme entstand 2002 live in Birmingham zusammen mit zwei Könnern – dem Bassisten Marc Johnson und Schlagzeuger Joey Baron. Taylor verstrickt sich in tiefsinnige Grübeleien, die aus ihrer poetischen Haltung heraus immer wieder in dynamisch-exzentrische Extrapolationen ausbrechen. Dabei vermittelt das Trio einen Gestaltungswillen, der weit über das Atmosphärische hinauswirkt. Das Klaviertrio ist eine traditionsreiche und von Vorbildern geprägte Jazzform. Taylor zeigte, dass er dieser raffinierten Dreifaltigkeit Substanz zu verleihen vermochte und die Interaktion der drei Musiker hoch ambitionierte, spontane Kammermusik hervorbrachte.”
Wolfgang Muthspiel, Scott Colley & Brian Blade: Drei Meister des Understatement
Auch nach mehr als 20 Jahren des gemeinsamen Musizierens nicht in Routine zu verfallen, ist eine Kunst, die nicht jeder beherrscht. Anschauungs- und Anhörungsunterricht kann man jedoch bei dem österreichischen Gitarristen Wolfgang Muthspiel und seinen beiden amerikanischen Kompagnons Scott Colley (Bass) und Brian Blade (Schlagzeug) nehmen. Denn mit “Tokyo” hat das Trio in diesem Jahr bereits seinen dritten und bisher abenteuerlichsten Geniestreich vorgelegt. “Wolfgang Muthspiel pflegt das Unterstatement”, heißt es in Ralf Dombrowskis Rezension des Albums in Jazzthing. “Er spielt, als würde ihm die Musik leicht und selbstverständlich zufliegen. Dabei stecken in seinen Kompositionen Universen der Jazzgitarrengeschichte, von der Leichtigkeit des verfeinerten Fusionssounds der 1970er bis hin zu Kammerklassischem, alteriert Abstraktem und einer Ahnung von Brasilien. ‘Tokyo’ ist das dritte Studioalbum mit Bassist Scott Colley und Schlagzeuger Brian Blade, beide auch Metamusiker mit der Fähigkeit, kreativ und kommentierend gleichzeitig zu spielen. So können Stücke entstehen, die im gemeinsamen Flow immenser Erfahrung umfassend erzählen. Egal ob Jazzgitarre oder akustisches Instrument, Muthspiel wirkt präsent, eloquent, manchmal, wie in ‘Roll’, sogar überschwänglich. ‘Tokyo’ ist damit ein Beispiel für aktuelle Jazzgitarrenkunst, im Detail wie im Ganzen faszinierend perfekt.”
Sokratis Sinopoulos & Yann Keerim: Klangwelten, die leben und atmen
Für ihr erstes Duoalbum “Topos” haben der griechische Lyraspieler Sokratis Sinopoulos und der Pianist Yann Keerim Béla Bartóks bekannte “Rumänische Tänze” fantasievoll überarbeitet und mit kongenialen eigenen Kompositionen kombiniert. Das Album ist eine Fundgrube höchst inspirierter musikalischer Dialoge. “Was Sokratis Sinopoulos und Yann Keerim auf ‘Topos’ präsentieren, lässt sich kaum in gängige Kategorien fassen”, befand Jacek Brun im Online-Magazin Jazz Fun. “Es ist weder reine Klassik, noch Jazz, noch Weltmusik – vielmehr eine Form zeitgenössischer, moderner Musik, die aus all diesen Quellen schöpft und daraus etwas Eigenständiges formt. Diese Klangwelten leben und atmen. Mit größter Sorgfalt komponiert und ausgeführt, entfalten sie eine stille, aber tiefgehende Schönheit. Jeder Ton hat hier Bedeutung, jede Pause ist bewusst gesetzt. Die Musik wirkt wie eine lebendige Skulptur aus Klang, die sich ständig verändert, während sie sich zugleich treu bleibt. Die Begegnung der beiden Musiker ist ein Glücksfall: Sinopoulos mit seiner expressiven Lyra und Keerim mit seinem fein nuancierten, manchmal impressionistisch anmutenden Klavierspiel erschaffen eine Musik, die zugleich archaisch und modern, emotional und strukturell durchdacht ist.”
Steve Tibbetts: Akustische Metamorphosen
“Musik ist eine Sprache der Dämmerung, des Zwielichts”, erläutert der Gitarrist Steve Tibbetts seine Musikphilosophie. “Unsere Aufgabe als Musiker ist es, einige Schatten in Klänge zu übersetzen.” Auf seinem neuen Album “Close” hat Tibbetts seine rastlose Suche nach außergewöhnlichen Klängen im Schattenbereich mit dem Perkussionisten Marc Anderson und dem Schlagzeuger JT Bates fortgesetzt. “Diese Schatten sind von ganz unterschiedlicher Tönung”, meinte Jörg Konrad im Magazin Kultkomplott. “Mit verzerrter E- oder akustischer Gitarre improvisiert er auch auf ‘Close’ in langen, manchmal auch schneidend scharfen, fast immer in Trance versetzenden Chorälen. Auch wenn der erste Eindruck etwas anderes vermitteln mag – in den akustischen Botschaften dieses Magiers wiederholt sich nichts. Er erweitert zarte Linien zu mächtigen Stämmen, er bricht Figuren auf, er vermittelt phonetische Landschaften, meist in einfühlender Ästhetik. Die Zeit scheint auch auf ‘Close’ keine, oder zumindest nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Viel wichtiger ist das stete Anfluten der Musik, ihr liquider Charakter. Vieles kommt einem beschwörenden Ritual nahe, wobei es immer um den Weg, um das sanfte Pulsieren geht, um die schonende Veränderung, anstatt dem anvisieren eines direkten Zieles. Melodien, geschweige eine Virtuosität, wie auch immer, sind in diesen akustischen Metamorphosen kaum auszumachen. Dafür ist ‘Close’ zu organisch entrückt, zu abstrakt – einfach schön.”
John Scofield & Dave Holland: Meisterhafte Quadratur des Kreises
Manchmal treffen Musiker auf einem Album in einer Konstellation aufeinander, bei der man sich unwillkürlich fragt, warum dies nicht schon wesentlich früher geschehen ist. Das Duo des Gitarristen John Scofield und des Bassisten Dave Holland, zwei Meistern des zeitgenössischen Jazz, fällt ganz sicher in diese Kategorie. Im Laufe der zurückliegenden drei Jahrzehnte haben Scofield und Holland schon in den unterschiedlichsten Kontexten zusammengespielt, sind aber nie als Duo in Erscheinung getreten. Auf dem traunhaften Album “Memories of Home” haben sie dies nun zur Freude aller Musikfans endlich getan. “Die beiden Saitenkünstler sind ‘a couple made in heaven’”, meinte Peter Rüedi in der Weltwoche, “gerade deshalb, weil sie ganz selbstverständlich zwischen sich nicht nur die gemeinsamen Nenner, sondern auch Spannung hochhalten. Holland ist ein Bassist, der sein warmes, volltönendes und weit schwingendes Vorbild Ray Brown nie verleugnet, während Scofield auf eine eher trockene Intonation achtet. Jedenfalls beherrschen beide die hohe Schule der Intimität. Von Scofields Eröffnungszug mit ‘Icons at the Fair’, einer Variante von Herbie Hancocks Arrangement von Simon & Garfunkels Hit ‘Scarborough Fair’, über mal bluesige, mal balladeske Originals der beiden bis zum Schluss mit ‘Memories of Home’ achten beide gleichzeitig auf Finesse und Hochspannung. Meisterhaft, diese Quadratur des Kreises.”