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Vagabond

Vagabond

Dominic Miller

Dauer 33 Min

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Album insights

Bereits beim ersten Kontakt mit diesem Werk eröffnet sich dem Hörer eine neue Welt des Gesangs: Hier vereinen sich italienische Volkskunst und deutsche Kompositionskunst auf faszinierende Weise. Hugo Wolf hatte sich schon früher durch seine Mörike- und Goethe-Vertonungen einen Namen gemacht und sein Talent für die Verschmelzung von Dichtung und Musik bewiesen. Im Jahr 1890 jedoch erreichte Wolf einen Punkt in seiner Entwicklung, an dem er die Größe der deutschen Literatur nicht mehr als Voraussetzung für seine Kunst betrachtete. Im 'Italienischen Liederbuch' zeigt sich, dass ihn gerade das Unscheinbare anzog, was schon das erste Lied 'Auch kleine Dinge …' deutlich macht.

Betrachtet man die Lieder unter dem musikalischen Mikroskop, lässt sich erkennen, wie eng Musik und Poesie in Wolfs Schaffen verwoben sind. In diesen Liedern herrscht eine emsige Betriebsamkeit, die ungeschulte Sinne leicht übersehen, die jedoch bei genauerer Betrachtung eine beeindruckende Farbigkeit entfaltet. Die Texte sind reich an Facetten und Details, und Wolf verstand es, die kleinsten poetischen Elemente nach dem Vorbild Einsteins zu nutzen, um Musik von großer Energie zu schaffen. Die Figuren aus Heyses Sammlung werden zu gesellschaftlichen Atomen, die in ihren archetypischen Rollen agieren – verliebt, wütend, boshaft oder heiter – immer wiederkehrend, wie das Leben selbst. Durch Wolfs tiefes Eintauchen in die Sprache erhält die Verbindung von Dichtung und Musik eine Dauerhaftigkeit, die über das 19. Jahrhundert hinausweist.

Im Mittelpunkt des Werks stehen wechselhafte Lebensformen, die dennoch eine innere Beständigkeit besitzen. Bei Wolf wird daraus mehr als nur eine Feier des Lebens. Seine Musik benötigt keine äußere Inszenierung, denn sie entspringt direkt der Vielfalt menschlicher Erfahrung. Der Komponist führt uns mit möglichst wenig Ablenkung tief in die Welt von Musik und Dichtung. Die Lieder besitzen eine Tiefe, die ihre bescheidene Form weit übertrifft, und vereinen Komplexität und Schlichtheit zu einem musikalischen Meisterstück.

Walter Legge erkannte, wie sehr Wolf als Herr über seine Lieder und sein schwieriges Los galt. Seine Beziehungen zu Verlegern waren von Schwierigkeiten geprägt, da er auch bei kleinen Details, wie der Seitenzählung, äußerst genau war. Er hinterließ akribische Anweisungen, die bei der Aufführung seines Werks genau zu beachten sind. Die von ihm festgelegte Reihenfolge der Stücke und die Aufführungstradition des 'Italienischen Liederbuchs' hatten für ihn zentrale Bedeutung, und er plante genau, wie sein Werk der Nachwelt erhalten bleiben sollte.

Ein gewisser musikalischer Wert liegt darin, die Lieder in der Reihenfolge ihrer Entstehung und ergänzt durch Briefe des Komponisten aufzuführen, um die unterschiedlichen Stimmungen hervorzuheben. Eine solche zyklische Aufführung ohne Vermischung der beiden Entstehungsphasen schafft ein geschlossenes Bild. Die von Wolf festgelegte Abfolge auf einer CD, präsentiert ohne Zwischentexte, zeigt die künstlerische Geschlossenheit und Integrität des Zyklus am deutlichsten.