Marie Awadis

Marie Awadis

Klavier, Komponist:in

Die armenische Komponistin und Pianistin Marie Awadis kam im Libanon zur Welt und lebt heute in Deutschland. Ihre sensible Musik, deren tonangebendes Instrument das Klavier ist, ist geprägt von den Einflüssen, die ihren Weg als Mensch und Künstlerin bestimmten. So klingt der klassische Kanon darin ebenso an wie die Folktradition Armeniens mit ihren unverkennbaren Harmonien und Melodien. Awadis hat sich ganz der Komposition verschrieben. Bestrebt, neue Wege zu gehen und zugleich die eigenen, höchst unterschiedlichen kulturellen Erfahrungen zu verarbeiten, komponiert sie Werke, die authentisch und persönlich sind. Sie nennt sich selbst eine Optimistin mit einer spirituellen Seite, doch ihre Kreativität ist es, die sie ausmacht und vorantreibt. Ihre Zusammenarbeit mit Deutsche Grammophon begann 2021, als sie für die zeitgenössische Musikreihe »XII« des Labels das Stück Alone schrieb. Nun hat sie ihr DG-Debütalbum Études Mélodiques eingespielt, zwölf poetische Etüden für Klavier, die an Chopin erinnern, aber auch die gegensätzlichen Strömungen des amerikanischen und europäischen Minimalismus ins Gedächtnis rufen. Das Album kommt im September 2024 heraus. Die Großeltern von Marie Awadis flohen 1915 vor dem Völkermord an den Armeniern nach Syrien. Ihr Vater zog später in den Libanon und baute sich dort in der armenischen Diaspora ein Leben auf. Zu Zeiten des Libanesischen Bürgerkriegs in den späten 1970er- und den 1980er-Jahren lernte Marie in einer armenischen Schule die Sprache und Kultur ihrer Heimat. Im Alter von nur fünf Jahren stand sie zum ersten Mal auf der Bühne und sang in der Folkband ihres Vaters. Die Musik wurde zur Leidenschaft und zum Zufluchtsort. Mit acht Jahren begann sie, Klavierunterricht zu nehmen. Sie konzentrierte sich auf das klassische Repertoire von Bach bis Rachmaninow, trat als Solistin auf, spielte Kammermusik, begleitete Chöre und nahm an Studioprojekten teil. Ihre Neugier auf alle Genres führte sie zum Jazz und zur Weltmusik, die in den folgenden Jahren stark ihren Kompositionsstil beeinflussten. Sie studierte schließlich an der nationalen Musikhochschule in Beirut. Nach ihrem Abschluss im Fach Klavier und einer dreijährigen Lehrtätigkeit am Konservatorium zog sie nach Hannover, um ein Aufbaustudium an der dortigen Hochschule für Musik und Theater zu absolvieren. Noch währenddessen wurde sie eingeladen, das Klavierkonzert von Schumann mit dem Lebanese National Symphony Orchestra aufzuführen. Danach nahm sie eine Auszeit vom klassischen Klavier. Über klassische und traditionelle armenische Stücke fand sie zu ihm zurück, als sie begann, Werke für Klavier solo verschiedener armenischer Komponist:innen aufzuführen. Heute gibt sie Konzerte in Deutschland und anderen europäischen Ländern und arbeitet mit verschiedenen Künstler:innen auf der Bühne und im Studio zusammen. Awadis schrieb ihr erstes Klavierstück bereits mit 16, doch dann vertagte sie ihre Leidenschaft für das Komponieren und entdeckte sie erst wieder, als sie nach Ausdrucksformen suchte, um ihre eigene Geschichte zu erzählen. Die Musik war für sie immer ein Raum, an dem sie sich sicher fühlte. Ihre Emotionen fanden in ihr eine Gestalt. Sie war ein Refugium – schon als Kind in einem kriegsversehrten Land. Heute ist die Musik ihre Heimat. Die armenische, libanesische und die deutsche Kultur kommen darin zusammen, drei Orte, die ihr Leben und ihre Arbeit geprägt haben. Bereits in der Übergangsphase zwischen Konzerttätigkeit und Komponieren schrieb Awadis Stücke für Klavier solo sowie Cello und Klavier. Es folgten Kompositionen für Streichquartett und andere Kammerensembles, außerdem Chorwerke. Heute hat sie sich als Komponistin etabliert und doch scheint es ihr, dass sie ihre Stücke weniger erdenkt als empfängt. Sobald die Noten auf dem Blatt stehen, scheinen sie nicht mehr ihre zu sein. Sie beginnt mit einer Unzahl von Einfällen und Improvisationen und schafft nach und nach Ordnung im kompositorischen Chaos. Die Struktur erwächst aus dem Gefühl. Eines Tages aber möchte sie diese intuitive Methode auf ein initiales strukturelles Fundament legen, denn sie liebt Architektur, allgemein und musikalisch. Zu den bisherigen Veröffentlichungen von Marie Awadis gehören Echoes (2015), Searching (2017) und Una Corda Diaries (2020), die sie eigens für das einzigartige Instrument Una Corda M189 von Klavins schrieb und darauf in Budapest auch eingespielte. Ein Vokalexperiment, das während der Pandemie aufgenommen wurde, erschien im November 2023 als EP mit dem Titel LUYS.