Album insights
Viele Werke der Renaissance sind nur fragmentarisch erhalten geblieben; auch die hier präsentierte Musik stammt aus einer lückenhaften Quelle und musste daher rekonstruiert werden. Dieser Vorgang vereint Detektivarbeit mit kreativer (Neu-)Komposition und erinnert an die Restaurierung beschädigter Gemälde, bei der ikonografische Regeln genutzt werden, um fehlende Details zu ergänzen. Besonders bei unvollständiger Polyphonie sind sowohl der Kontext als auch die Werkgattung für die Rekonstruktion maßgebend. Restauratoren stützen sich dabei auf fundierte Annahmen, vor allem wenn es sich um Musik bedeutender Komponisten handelt.
Von Jakob Obrechts Missa Scaramella sind lediglich das Tenor- und das Diskantstimmbuch überliefert, sodass eine Rekonstruktion notwendig war. Die bekannte Cantus-firmus-Melodie im Tenor erleichterte diesen Prozess, da sie ein zentrales Element der Messe bildet. Durch die vielfältige Verarbeitung dieser Melodie erhält das Werk eine abwechslungsreiche und spannende Ausgestaltung, die es zu einer der herausragenden Messen Obrechts machen würde, sofern es vollständig erhalten wäre.
Die Motette Mater Patris von Obrecht hebt auf einfühlsame Weise die Rolle Marias als Mutter Gottes und Tochter des Vaters hervor. Im Vergleich zu anderen Motetten des Komponisten ist sie mit ihrer fünfstimmigen Anlage weniger komplex und vermittelt eine intime sowie andächtige Atmosphäre. Das Werk dient als musikalische Meditation über tiefe religiöse Glaubensinhalte und zeigt Obrechts hohe Ausdruckskraft.
Das Programm schließt mit zwei lebhaften Bearbeitungen der Scaramella-Melodie sowie weiteren Motetten mit Bezug zu Philip Weller. Jede Komposition – sei es das heitere Werk von Antoine Brumel oder die charakteristisch überraschenden Wendungen von Alexander Agricola – zeigt die stilistische Bandbreite und das handwerkliche Können der Komponisten jener Epoche.