Album insights
Brahms’ außergewöhnliche Beherrschung des Kontrapunkts wird besonders in seinen Motetten ohne Begleitung deutlich. Mit dem Einsatz von kanonischen Techniken sowie feiner Chromatik prägte er einen unverkennbaren Personalstil. Frühe Kompositionen wie die Motetten op. 29 vereinen geschickt innovative Strukturen mit einer traditionellen Auffassung von Harmonie. Die später entstandenen Fest- und Gedenksprüche op. 109 zeigen hingegen weniger emotionale Zurückhaltung und sind stärker von der venezianischen Musiktradition des 16. Jahrhunderts beeinflusst. Brahms demonstriert seine Vielseitigkeit, indem er gekonnt zwischen homophonen und antiphonen Abschnitten wechselt und so die musikalische Bandbreite eindrucksvoll abbildet.
Ein anschauliches Beispiel liefert die Motette „O bone Jesu“, die durch kontrapunktische Kanons Detailreichtum und kompositorisches Geschick offenbart. In den Motetten op. 74 geht Brahms mit Choralvariationen der Ausdruckstiefe nach. Das Ave Maria op. 12 verbindet auf besondere Weise vokale und instrumentale Elemente, wobei der Ausdruckswärme der Vorzug vor technischen Schwächen gegeben wird. Insgesamt bezeugen Brahms’ Motetten die Komplexität und feinsinnige Brillanz eines Komponisten, der sowohl emotionale Intensität als auch kontrapunktische Kunstfertigkeit meisterhaft zu verbinden versteht.