Album insights
Zwischen 1939 und 1944, als die Sowjetunion sowohl unter den Folgen des Großen Terrors Stalins litt als auch in den Zweiten Weltkrieg verwickelt war, entstanden Sergej Prokofjews Klaviersonaten op. 82, 83 und 84. Die als sechste, siebte und achte Sonate bekannten Werke wurden ursprünglich zusammen konzipiert, bevor Prokofjew sie später voneinander abgrenzte und einzeln weiterentwickelte. Ob Prokofjew den drei Sonaten tatsächlich ein Kriegsthema zugrunde legte, bleibt ungeklärt, denn die Bezeichnung "Kriegssonaten" stammt nicht von ihm selbst. Bereits 1935 setzte er sich mit der Idee auseinander, Teile von Tolstois "Krieg und Frieden" als Oper zu vertonen, was sein Interesse für Kriegsthematik unterstreicht. Die Sonaten enthalten Verweise auf andere gleichzeitig entstandene Werke, etwa Melodien aus "Romeo und Julia" oder "Krieg und Frieden". Während Motive aus zeitgenössischen Stücken wie "Eugen Onegin" op. 71 keine weitere Verwendung fanden, ging Prokofjew mit seinen musikalischen Materialien stets sorgfältig um.
Prokofjews pianistische Prägung und sein Ausbildungsweg sind eng miteinander verknüpft. Bereits 1904 nahm er sein Studium am St. Petersburger Konservatorium auf und gewann zehn Jahre später mit seinem ersten Klavierkonzert den Rubinstein-Preis. Zunächst wurde er von seiner Mutter unterrichtet und vertiefte sein Repertoire gemeinsam mit Freunden in vierhändigen Klavierfassungen. Der Unterricht bei Alexander Winkler führte zu einem ernsteren Zugang zum Klavierspiel, wobei technische Schwierigkeiten schrittweise überwunden wurden. Nach dem Wechsel zu Anna Esipova entwickelte sich Prokofjews Selbstbewusstsein weiter, was ihn zu einem gefragten Konzertpianisten machte, der bevorzugt eigene Werke aufführte. Seine frühen Kompositionen wie die Etüden op. 2 und die Toccata d-Moll op. 11 festigten seinen Ruf als "enfant terrible" der Musikszene. In späteren Werken griff er reifer auf seine ästhetischen Ideale zurück, die sein Klavierrepertoire – abgesehen vom dritten Klavierkonzert – einzigartig prägen. Die überarbeiteten, provokanten Motive in den Sonaten spiegeln Prokofjews Ursprünge als künstlerischer Rebell wider.
Die Sonaten op. 82, 83 und 84 bilden gemeinsam ein markantes Triptychon, das sowohl die Zeitumstände als auch die stilistische Entwicklung des Komponisten widerspiegelt. Prokofjews klarer, energischer Klavierstil vereint Ausdauer, körperliche Kraft und Sinn für großformatige Strukturen. In allen Sätzen findet sich eine gewisse Unerbittlichkeit, insbesondere in düsteren Passagen, wobei seine pianistische Erfahrung stets durchscheint. Dennoch bieten die Melodien Raum für Besinnung und innehalten, was sowohl Interpreten als auch Zuhörer anspricht. Der Einfluss des Theaters Meyerholds zeigt sich in Gestik, repetitiven Mustern und Schichtüberlagerungen, die den Werken zusätzliche Tiefe verleihen. Unerwartete Wendungen, absichtliche Rhythmuswechsel sowie spielerische und humorvolle Aspekte sorgen für ein abwechslungsreiches Hörerlebnis.
Im April 1940 brachte Prokofjew die sechste Klaviersonate selbst in Moskau zur Uraufführung. Die Premiere der siebten Sonate überließ er Swjatoslaw Richter, während Emil Gilels die achte erstmals aufführte. In der sechsten Sonate weist jeder Satz ein eher ruhiges Tempo auf, was Raum für gezielte Höhepunkte schafft. Der Interpret ist angehalten, Dissonanzen hervorzuheben und leichtere Partien mit Witz zu gestalten. Besonders in Tenuto-Stellen entstehen schwebende, beinahe ätherische Klänge, die typisch für Prokofjews späte Phase sind. Das Scherzo des zweiten Satzes beginnt mechanisch, entwickelt durch expressive Passagen aber zusätzliche Lebendigkeit; Quintolen in der linken Hand halten das Tempo aufrecht. Im dritten Satz herrscht ein selbstbewusster Walzer vor, in dem Nachdenklichkeit und Zärtlichkeit miteinander verschmelzen. Das Finale steigert sich konsequent zu einem dramatischen Abschluss.
Für die siebte Sonate wählte Prokofjew als Spielanweisung "Allegro inquieto", was die ruhelose Grundstimmung des Satzes treffend beschreibt. Charakteristisch sind markante Gesten wie Tonwiederholungen, dissonante Sekunden und melodisch-harmonische Terzfiguren. Der zweite Satz überzeugt durch lyrische Wärme und epische Dimension, während der dritte Satz als "precipitato" an Prokofjews frühe Toccata erinnert und mit technischen Herausforderungen sowie kraftvollen Rhythmen aufwartet. Die achte Sonate schließlich, die als die nachdenklichste gilt, eröffnet mit einem weit ausgreifenden Thema, das eine kontemplative Atmosphäre schafft. Im zweiten Satz sorgt ein anmutiges, lyrisches Menuett für eine Ruhepause, bevor das lebhafte Finale an frühere Tarantella-Experimente des Komponisten anknüpft.