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Das Bedürfnis, Dinge einzuordnen, scheint den Menschen schon immer eigen gewesen zu sein. Bekannte Beispiele sind etwa die Bezeichnung des schwedischen Symphonikers Franz Berwald als "Berlioz des Nordens" oder Vergleiche von Städten wie Brügge mit Venedig und Sankt Petersburg mit Buenos Aires. Auch J.B. Morton äußerte einst ironisch, Wagner sei "der Puccini der Musik". Im Fall des Komponisten York Bowen bezeichnete man ihn als "englischen Rachmaninow", was jedoch seiner eigenen musikalischen Entwicklung nicht gerecht wird.
Edwin Yorke Bowen, geboren 1884 in London, war ein hochbegabter Musiker und Pianist. Schon früh erhielt er Klavierunterricht bei Alfred Izard und lernte später bei Tobias Matthay. Nach dem Gewinn des Erard-Stipendiums studierte er an der Royal Academy of Music, wurde dort Schüler und später selbst Klavierprofessor. Bowen war als Pianist und Komponist gleichermaßen anerkannt und genoss in musikalischen Kreisen großes Renommee. Trotz vieler Erfolge blieb sein kompositorischer Stil weitgehend beständig und veränderte sich nur geringfügig.
Saint-Saëns hielt Bowen für den vielversprechendsten jungen britischen Komponisten seiner Generation. Bowen schrieb unter anderem Klavierkonzerte, Sinfonien und Etüden. Über die Jahre passte sich sein Stil an, vor allem unter dem Einfluss bedeutender Zeitgenossen wie Stravinsky und Schönberg. Auch wenn Bowens Werke einen eigenen Charakter besitzen, lassen sie Einflüsse von Komponisten wie Chopin, Liszt und Debussy erkennen.
Als Bowens bedeutendstes Werk gelten oft die 24 Preludes op. 102, die als Ergebnis seiner langjährigen schöpferischen Erfahrung entstanden. Zudem schrieb Bowen Stücke, die auf Motiven von Andersen basierten und seine Fähigkeiten als Komponist unter Beweis stellten.
Bowen verkörperte das Phänomen des Pianisten-Komponisten ähnlich wie Saint-Saëns oder andere große Musiker seiner Epoche. Seine Werke verdienen es, eingehend betrachtet und gewürdigt zu werden, zumal sie inzwischen wieder von namhaften Interpreten aufgeführt werden und ein immer größeres Publikum finden.