Album insights
Gegen Ende der 1720er Jahre intensivierte Vivaldi seine Kontakte zum Dresdner Hof. 1728 übernahm Pisendel, sein ehemaliger Schüler und Förderer, die Leitung des dortigen Orchesters. Zwei Jahre darauf traf eine Gruppe von sieben Sängern ein, die zuvor sechs Jahre in Venedig ausgebildet worden waren. Die Motette für Sopran schildert ein Schiff, das von hohen Wellen hin- und hergeworfen wird und schließlich, mit Hilfe der Jungfrau Maria, sicher den Hafen erreicht. Besonders fortschrittlich ist in der ersten Arie der Wechsel zu einem anderen Metrum und ein verlangsamtes Tempo im Mittelteil. Die verschiedenen Stimmungen der Textpassagen sind Ausdruck von Vivaldis kreativer Vielfalt. Im abschließenden „Alleluja“-Abschnitt demonstriert er seine rhythmische und harmonische Begabung.
Zu den zentralen Aufgaben des Chorleiters an der Pietà gehörte das Komponieren von Werken für die Karwoche, darunter der 50. Psalm, das Miserere. Obwohl kein Miserere von Vivaldi selbst erhalten ist, existieren zwei Introduktionen zum Miserere für Soloalt: RV641 und Filiae maestae Jerusalem RV638, beide um 1715 entstanden und Zeugnis seines musikalischen Ideenreichtums. RV641 endet in c-Moll und reflektiert Vivaldis Einfühlungsvermögen für Geltruda, eine bekannte Sängerin der Pietà.
RV641 vermittelt eine Atmosphäre würdevollen Klagegesangs, wobei Vivaldi mit einfachen Mitteln große emotionale Tiefe erreicht. Seine Rücksichtnahme auf Geltrudas empfindliche Stimme zeigt sich etwa darin, dass er Streicher leise spielen lässt oder sie ganz weglässt. Auch wenn Vivaldis ursprüngliche Intention nicht mehr ganz zu erfassen ist, präsentiert die vorliegende Aufnahme die Introduktion gefolgt vom Stabat mater. Dieses Werk aus Vivaldis früher Kirchenmusik wurde im 20. Jahrhundert wiederentdeckt und hat seitdem große Popularität erlangt.
In RV621 tritt Vivaldis instrumentale Erfahrung deutlicher hervor als seine vokale Handschrift. Seine Musik ist von früheren Werken beeinflusst. Auch wenn RV621 eher zurückhaltend wirkt, sind gelegentlich eindrucksvolle Effekte der Wortmalerei zu hören. Die Grundstimmung bleibt feierlich und tragisch.
Mit „O qui coeli terraeque serenitas“ RV631 entführt Vivaldi in ein Gebet, das die Gläubigen dazu auffordert, sich von weltlichen Vergnügungen zu lösen. RV631 und weitere Werke aus dieser Zeit zeigen seine Ausdruckskraft. Zusammen mit anderen kirchlichen Kompositionen wie „Deus tuorum militum“ RV612 und „Confitebor tibi, Domine“ RV596 belegen sie sein kontrapunktisches Können und seine künstlerische Vielseitigkeit bis in die späten Jahre seines Schaffens.