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Szymanowski: The Complete Mazurkas

Szymanowski: The Complete Mazurkas

Marc-André Hamelin

Dauer 72 Min

Album insights

In "Des Fremdlings Abendlied" stellt Georg Philipp Schmidt von Lübeck die Frage: "Wo bist du, mein gelobtes Land?" Dieses Gedicht wurde von Schubert im Oktober 1816 als "Der Wanderer" vertont und behandelt die Sehnsucht nach Heimat - ein zentrales Thema in der romantischen Dichtung. Dieser Topos hat viele Lieder des 19. Jahrhunderts inspiriert und wirkte bis ins 20. Jahrhundert hinein, beispielsweise in Ernst Kreneks Liederzyklus "Reisebuch aus den österreichischen Alpen" von 1929.

Krenek fand in Schuberts Kompositionen unerwartete Inspiration und bewunderte dessen Fähigkeit zum nuancierten Ausdruck und zur ökonomischen Verwendung musikalischer Mittel. Sein Reisebuch entstand als Antwort auf Schuberts Liedertradition, worin er seine eigenen klanglichen Eindrücke dokumentierte und reflektierte. Die Idee zu diesem zyklischen Reisebericht entwickelte sich während eines Alpenurlaubes 1929, der sowohl die Klangwelt als auch die poetische Dimension Schuberts würdigte.

In seinem Werk erfasste Krenek nicht nur die gegenwärtige Reiseerfahrung, sondern blickte auch auf seine Alpenerlebnisse aus der Kindheit zurück. Seine Lieder veranschaulichen den Übergang von Schuberts poetischer Welt zur Neuen Sachlichkeit der 1920er Jahre. Obwohl die Zwischenkriegszeit von Distanz geprägt war, thematisieren Kreneks Kompositionen Heimatlosigkeit und Sehnsucht. Der Hauptgedanke bleibt die Suche nach Zugehörigkeit auf persönlicher, gesellschaftlicher und philosophischer Ebene.

Die musikalische Ausdrucksweise des Zyklus spiegelt diese Zugehörigkeitssehnsucht wider. Trotz tonaler Grundlage entfernt sie sich häufig von der Diatonik. Das Reisebuch stellt einen Höhepunkt in Kreneks Auseinandersetzung mit Schubert dar und verdeutlicht sein fortwährendes Interesse an der Tonalität. Durch diese musikalischen Momentaufnahmen erforscht und feiert Krenek neue musikalische Wege.

Die einzelnen Lieder des Zyklus spiegeln unterschiedliche Stimmungen und Szenarien wider, beginnend mit einem Motiv, das Verbindungen zu Schubert herstellt. Das 20. Jahrhundert brachte jedoch neue Thematiken hervor, wie die Beschwerlichkeiten des modernen Verkehrs. Die Klostermönche widersetzen sich diesen Veränderungen, während Werke wie Politik und Gewitter gesellschaftliche und individuelle Entwicklungen beleuchten.

Kreneks Rückkehr nach Wien im Epilog betont die Bedeutung von Heimat und die Suche nach Zugehörigkeit. Die Frage nach der wahren Heimat bleibt in dieser Umbruchszeit unbeantwortet. Später verließ Krenek Europa aufgrund der politischen Ereignisse, ähnlich wie Alexander Zemlinsky, dessen musikalisches Schaffen ebenfalls von frühen Sehnsüchten nach Heimat und Zugehörigkeit geprägt war.