Kathleen Ferrier

Zeit ihres Lebens machte Kathleen Ferrier Musik. Als Kind in ihrem Elternhaus in Blackburn, Lancashire, wollte sie unbedingt Klavier lernen und erwies sich als außerordentlich begabt. Als junge Frau nahm sie Gesangsunterricht bei einem Freund der Familie und sang in einem örtlichen Chor, während sie tagsüber als Telefonistin arbeitete. Doch erst nach ihrer Heirat im Jahr 1935, als sie ihre Arbeit aufgab und mehr Zeit hatte, begann sie, ihre Stimme wirklich ernst zu nehmen. Den ersten großen Erfolg erzielte sie 1937, als sie beim Carlisle Festival sowohl in der Altklasse als auch in der Klavierklasse antrat. Dass sie in beiden Wettbewerben gewann, sagt viel über ihr natürliches musikalisches Talent aus. Nach diesem unerwarteten Erfolg beschloss sie, Gesang zu studieren, und unter der Anleitung von Dr. John Hutchinson in Newcastle upon Tyne und später des Baritons Roy Henderson in London entfaltete sich das volle Potenzial ihrer Stimme. Ferrier besuchte nie ein Konservatorium, arbeitete jedoch unermüdlich daran, ihre Kunst zu verfeinern. Ein beruflicher Wechsel von Cumberland ins kriegsgezeichnete London im Jahr 1942, nahezu ununterbrochene Konzertreisen durch das Land und schiere Willenskraft bereiteten sie auf den internationalen Ruhm vor, den sie in den entbehrungsreichen Nachkriegsjahren erlangte. Wer hätte sich vorstellen können, dass sie zehn Jahre nach dem Gewinn der Silbernen Rosen-Schale in Carlisle an Covent Garden und bei den Glyndebourne-Festspielen auftreten, sich mit Bruno Walter auf das erste Edinburgh Festival vorbereiten und Schallplatten mit Arien, Oratorien und deutschen Liedern aufnehmen würde? Ihre Stimme war unverwechselbar, ihre Persönlichkeit warm und einladend. Sie war „das Mädchen von nebenan“, das Männer wie Frauen gleichermaßen liebenswert fanden – ob sie sie im Radio hörten oder sie in der Royal Albert Hall in London, im Rathaus von Pontypridd, in der Kathedrale von Gloucester oder in der City Hall von Newcastle singen sahen (all das tat sie beispielsweise im Mai 1945). Kathleen Ferrier führte ihr Publikum, während sie die Werke von Bach, Schubert, Mahler und Britten – und von hundert anderen Komponisten – erkundete. Kaum jemand, der sie hörte, blieb unberührt von ihrer Liebe zur Musik und ihrer Freude am Auftreten. Als Kathleen Ferrier 1953 im Alter von einundvierzig Jahren starb, trauerten Tausende um eine Frau, der sie nie persönlich begegnet waren; sie war ihre Gefährtin durch schwere Zeiten gewesen und hatte mit ihnen gelächelt, als das Leben wieder leichter wurde. Heute, hundert Jahre nach ihrer Geburt, werden neue Generationen von „unserer Kath“ und ihrem lebensbejahenden Geist in den Bann gezogen.