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Marie Joseph Canteloube (1879–1957) ist heute vor allem durch seine Chants d’Auvergne bekannt, eine Sammlung von Volksliedern aus der Auvergne, deren erster Band 1924 erschien und deren abschließender fünfter Band erst drei Jahrzehnte später aufgeführt wurde. Im Gegensatz dazu blieb Pierre Eugène Onfroy de Bréville (1861–1949) zu Lebzeiten ohne ein vergleichbares Erfolgswerk, das ihm einen bleibenden Platz im kulturellen Gedächtnis gesichert hätte. Dennoch verdienen beide Komponisten eine größere Wertschätzung.
Bréville, dessen Geburt am 21. Februar 1861 in Bar-le-Duc (Lothringen) stattfand, wandte sich nach einem ursprünglich anderen Studium der Musik zu, wobei ihn insbesondere César Franck beeinflusste. Neben seiner Rolle als Lehrer an der Schola Cantorum und am Conservatoire de Paris, wo er Kammermusik unterrichtete, engagierte er sich als Musikkritiker. Die Oper Ghisèle, an deren Fertigstellung die "bande à Franck" mitwirkte, verdankt ihm wesentliche Impulse. Trotz enger Bindungen an das konservative Milieu zeigte Bréville eine Offenheit für fremde Musiktraditionen, was seine Reisen nach Bayreuth, Skandinavien und Konstantinopel belegen.
Auch wenn sein Name heute nur noch wenigen geläufig ist, wurde Bréville vor etwa hundert Jahren, besonders für seine Vokalmusik, hoch geschätzt. Zwischen 1879 und 1945 entstanden seine Lieder, die Einflüsse von Wagner, Fauré und Debussy erkennen lassen. Zu seinen bedeutenden Kompositionen zählt die Oper "Eros vainqueur". Neben seiner vokalen Produktion schuf er auch Instrumentalwerke wie Sonaten für Violoncello und Viola. In seinen Werken verbinden sich poetische Sensibilität mit harmonischer Raffinesse.
Im Laufe seines Schaffens widmete sich Bréville unter anderem der Komposition von fünf Violinsonaten, wobei die 1918/19 entstandene Sonate in cis-Moll besonders hervorsticht. Charakteristisch für seinen Stil sind feine Harmonien und melodiöse Linien, die auf eine reiche musikalische Tradition zurückgreifen. Die differenzierte Gestaltung seiner Werke zeigt sich exemplarisch in seiner Violinsonate.
Canteloube, geboren am 21. Oktober 1879 in Annonay (Ardèche), zog mit seiner Suite "Dans la montagne" schon früh Aufmerksamkeit auf sich. Dieses Werk, das sich durch eine unmittelbare Schlichtheit von Brévilles komplexen Kompositionen abhebt, entstand nach einer Phase musikalischer Abgeschiedenheit und wurde durch Vincent d’Indy, von dem Canteloube Unterricht erhielt, gefördert. Die Suite, eines der ersten größeren Werke Canteloubes, erhielt nach umfangreicher Überarbeitung großes Lob von d’Indy.
Die einzelnen Sätze der Suite zeichnen sich durch jeweils eigene Atmosphäre und Klangfarbe aus. Mit wenigen musikalischen Mitteln gelingt es Canteloube, eine dichte Stimmung zu erzeugen. Von tänzerischen Rhythmen bis zu lyrischen Melodien zeigt sich darin seine originelle Kompositionsweise, die eine bemerkenswerte Offenheit für klangliche Vielfalt und eine Balance zwischen Tiefgang und Einfachheit erkennen lässt.
Vergleicht man die Werke von Bréville und Canteloube, wird deutlich, wie unterschiedlich ihre künstlerischen Herangehensweisen waren und welche Beiträge sie zur französischen Musik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts leisteten. Während Bréville zu Lebzeiten eine bedeutende Stimme seiner Generation war, bewies Canteloube mit seiner Suite "Dans la montagne" schon früh sein besonderes Gespür für Klangfarben und Atmosphäre. Beide haben durch ihr musikalisches Schaffen nachhaltige Spuren hinterlassen und verdienen für ihr künstlerisches Vermächtnis weiterhin Anerkennung.