Brigitte Fassbaender

Brigitte Fassbaender

Mezzosopran, Kontra-Alt

Brigitte Fassbaender war eine Ausnahmesängerin. Mit einer der größten Stimmen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat die deutsche Mezzosopranistin Karriere gemacht wie kaum eine andere: als maßgebliche Octavian-Sängerin ihrer Generation, als Regisseurin und Intendantin mit mehr als 80 Produktionen oder Mentorin für junge Sänger. 1939 in Berlin geboren schien Fassbaender für die lyrische Bühne prädestiniert – ihr Vater war der Bariton Willi Domgraf-Fassbaender, ihre Mutter die Schauspielerin Sabine Peters. Zunächst war es jedoch das Theater, das sie anzog, und erst als sich ihre Stimme, ein dunkler Mezzosopran, in ihren späten Teenagerjahren herauszukristallisieren begann, nahm sie bei ihrem Vater, damals Lehrer am Nürnberger Konservatorium, Gesangsunterricht. Sie zog nach München, wo sie 1961 an die Bayerische Staatsoper kam und mehrere kleine Rollen sang, bevor sie zum ersten Mal in einer größeren Partie auftrat, als Nicklausse in Les Contes d’Hoffmann. Ihr Durchbruch war die Clarice in Rossinis La pietra del paragone 1964, doch der liebeskranke Octavian im Rosenkavalier begründete drei Jahre später ihre internationale Karriere, erst in München – wo sie die Rolle in legendären Aufführungen mit Carlos Kleiber zu ihrer eigenen machte –, dann am Covent Garden und an der Met. Als jüngste Sängerin aller Zeiten wurde sie 1970 an der Bayerischen Staatsoper zur Kammersängerin ernannt, und in den folgenden zwei Jahrzehnten sah man dort die meisten ihrer großen Rollen, von Mozart bis Strauss. Gleichzeitig trat sie regelmäßig in Salzburg, Wien und Bayreuth auf und legte eine beachtliche Diskografie vor mit einem großen Repertoire. Fassbaender war eine unermüdliche Liedsängerin, ihre Aufnahmen umfassen die großen Schubert- und Schumann-Zyklen – als eine der ersten Frauen nahm sie die Winterreise auf – sowie Lieder von Strauss, Liszt und Mussorgsky. Nachdem sie sich 1995 von der Bühne verabschiedete, begann sie eine zweite Karriere als Regisseurin, zunächst in Braunschweig, dann in Innsbruck, bevor sie von 2009 bis 2017 die künstlerische Leitung des jährlichen Richard-Strauss-Festivals in Garmisch-Partenkirchen übernahm. Fassbaender schrieb das Buch und die Texte für zwei erfolgreiche Musicals, Lulu – Das Musical und Shylock!, und veröffentlichte 2019 ihre Memoiren. Noch heute führt sie Regie und gibt Meisterkurse, um ihren Wissens- und Erfahrungsschatz an jüngere Generationen weiterzugeben. 2011 wurde sie von der französischen Regierung zum Chevalier de la Légion d’Honneur ernannt, 2015 als Kulturbotschafterin von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum G7-Gipfel geladen, 2016 erhielt sie die Ehrung ihres Lebenswerks bei den jährlichen International Opera Awards. Im Rückblick sagt sie über ihre Zeit als Sängerin: „Jeder Auftritt ist ein seelisches, geistiges und körperliches Abenteuer. Dann passiert es, vielleicht. Es passiert jedenfalls nicht, wenn man dasteht und nur schön singen will. Das war nie mein Ehrgeiz, ich wollte mir das Herz aus dem Leib reißen. Und eine Haut hatte ich auch nicht. Dieser ganze Beruf war ein existenzielles Müssen.“